Kulturlandschaft mit hohem Nutzen für Menschen, Tiere und Pflanzen
„Wenn ich wüsste, dass morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen“
Martin Luther
Auf einer Streuobstwiese findet man vor allem hochstämmige Apfel-, Birnen-, Kirsch- oder Zwetschgenbäume. Das heißt, der Stamm verzweigt sich erst in einer bestimmen Höhe und die Bäume stehen verstreut auf der Wiese … nicht in engem Reih und Glied wie in einer Obstplantage, wo man auch keine Hochstämme findet.
Auf einer Streuobstwiese stehen im idealen Fall ganz alte knorrige Gesellen mit ihren Höhlen, die vielen Tieren Unterschlupf bieten, neben den ganz jungen Bäumen. Die meistvertretene Art ist heute der Apfelbaum mit ca. 50 % des Bestandes. Noch vor wenigen Jahrzehnten waren viele Siedlungen umgeben von Streuobstwiesen – richtige „Streuobstgürtel“ waren das, die auch als Windschutz dienten. Leider ist das heute nicht mehr so, und jede einzelne Wiese sollte deshalb gepflegt und geschützt werden. Denn hier können wir nicht nur biologisches Obst ernten – Streuobstwiesen werden naturnah bewirtschaftet und kommen ohne Pestizide aus – sondern sie sind auch Lebensraum für bis zu 5000 verschiedene Tier- und Pflanzenarten.
Der größte Teil der dort lebenden Tiere sind Insekten wie Bienen, Hummeln, Wespen, Schmetterlinge oder Käfer. Durch ihren Totholzreichtum finden auf den Streuobstwiesen auch viele Vogelarten und Säugetiere Unterschlupf. Hier in Deutschland sind das besonders Steinkäuze, Gartenschläfer, Fledermäuse, Wiedehopfe, Wendehälse, Grünspechte und Gartenrotschwänzchen. Viele diese Tierarten sind stark gefährdet oder gar vom Aussterben bedroht.
Streuobstwiesen haben eigentlich nur zwei „Stockwerke“: die Kronenschicht der Obstbäume und die aus Gräsern und Kräutern bestehende Krautschicht. Durch die offene Weite der Wiesen mit den in weiten Abständen stehenden Bäumen, ist die Krautschicht stark besonnt und sehr vital. Im Unterschied zu Obstplantagen sind Streuobstwiesen auch deshalb wesentlich artenreicher.
An den Rändern der Streuobstwiesen oder auch mal mittendrin trifft man zudem auf die ganze Vielfalt der Hecken, die weiteren Lebens- und Nahrungsraum für viele nützliche Insekten und Vögel bieten.
Für uns in Hessen ist das Streuobst auch ein bedeutsames Kulturgut, denn aus ihm wird unser weit bekannter „Äppelwoi“ – also Hochdeutsch: Apfelwein – gewonnen. Der erste Schluck ist für „Fremde“ oft gewöhnungsbedürftig. Doch hat man sich erst einmal an den sauren Geschmack gewöhnt, wird man ihn als Durstlöscher an heißen Sommertagen lieben.
Der Bembel und das Gerippte (das Glas, aus dem man den Äppelwoi trinkt – siehe im Bild rechts) gehören zum Trink-Genuss unbedingt dazu.

Eva K. on Commons / Eva K. on German Wikipedia / CC BY-SA (https://creativecommons.org/licenses/by-sa/2.5)
Durch die „Biodiversitätsstrategie Hessen“ wird in Hessen der Erhalt der Streuobstwiesen gefördert. Der BUND in Hessen gibt Tipps, was ein jeder von uns tun kann, diesen äußerst wichtigen Lebensraum zu erhalten (und das gilt natürlich nicht nur in Hessen):
- Erhalten Sie die Obstbäume auf Ihrem Grundstück! Schnittkurse sowie Tipps zu Pflege und Ernte werden vielerorts z. B. vom BUND oder Obst- und Gartenbauvereinen angeboten.
- Pflanzen Sie einen Obstbaum in Ihrem Garten! Eine Liste regionaltypischer Sorten und Bezugsmöglichkeiten gibt es z. B. beim Pomologen-Verein e. V. – Landesgruppe Hessen. Erkundigen Sie sich bei Ihrer Gemeinde nach Fördermitteln.
- Kaufen Sie einheimisches Streuobst sowie Säfte und fragen Sie in Geschäften bewusst nach einem entsprechenden Angebot!
- Erleben Sie Streuobstwiesen! Wandern, Radfahren, Führungen, Kinderanimationen u. v. m. sind möglich.
- Werden Sie Baumpate! Gegen Übernahme der Pflege oder ein geringes Entgelt steht Ihnen vielerorts die Ernte eines Obstbaumes zur Verfügung.
Hier findest du zu der hessischen Initiative noch mehr Informationen:
Biologische Vielfalt Hessen, Lebensraum Streuobstwiese
Auch meine Veranstaltung zum 6. Hessischen Nachhaltigkeitstag am 10. September diesen Jahres dreht sich wieder um die Streuobstwiese:
Streuobstwiese trifft Hecke:
Hessen nachhaltig, Veranstaltungsdetails
oder Waldbaden.com, Veranstaltungen, Streuobstwiese trifft Hecke
Und hier noch eine Buchempfehlung: „Nichts wie raus auf die Streuobstwiese“ von Angela Klein (Verlag an der Ruhr) mit ganz vielen Tipps, Spielen und Wissen rund um die Streuobstwiese, insbesondere mit und für Kinder zwischen 4 und 8 Jahren – einmal durchs ganze Jahr:
Nichts-wie-raus-auf-die-Streuobstwiese
Waldbaden auf der Streuobstwiese ? Ja !
Doch wie passt die Streuobstwiese nun auch in die Thematik „Waldbaden“? Wir treffen ja dort keinen Wald an, können wir dennoch die Streuobstwiese zum Waldbaden nutzen?
Nun ja, wir baden natürlich nicht im Wald – doch wir baden „unter Bäumen“. Und das kann für den ein oder anderen sogar entspannender sein als im Wald.
Nicht wenige Menschen fürchten sich im Wald. Sie haben vielleicht noch die alten Geschichten im Kopf von Räubern und wilden Tieren im Gebüsch. Nicht wirklich „im Kopf“ und ganz bewusst, sondern irgendwo im Unterbewusstsein tief verankert. So jemandem nun zu empfehlen, im Wald zu baden, um seinen Stress in den Griff zu bekommen, geht klar in die falsche Richtung. Bei Angst ist nicht unser Ruhenerv aktiv, unser Parasympathikus. Sondern wir sind hochkonzentriert, hellwach und stets bereit, die Flucht zu ergreifen. Unser „Stressnerv“, der Sympathikus ist in vollem Gange und schüttet Stresshormone aus. Das ist ganz wichtig bei Gefahr! Doch eigentlich will der Mensch sich ja entspannen und die Stresshormone sinken lassen … keine Chance im dunklen Fichtenforst …
Aaa…ber nun kommt die Streuobstwiese ins Spiel – nämlich dort, wo wir einen weiten Blick haben und die Bäume oder Hecken als Schutz. Solche Landschaften, noch dazu mit Nahrungsangebot im Herbst und blühenden Landschaften im Frühjahr aktivieren unseren Parasympathikus und Entspannung kann sich einstellen. Dass diese Landschaften uns entspannen lassen, liegt in unseren Genen und hat Roger Ulrich in seiner psycho-evolutionären Theorie schon in den 80er Jahren erklärt. Er fand heraus, dass eine savannenartige Umgebung mit Wiesen, auf denen verstreut Bäume und Büsche wachsen, die als nicht oder nur geringfügig gefährlich empfunden wird, automatisch eine positive affektive Reaktion hervorruft.
Also selbst dann, wenn auf einer Wiese nur vereinzelt Bäume anzutreffen sind, und damit die Konzentration an Terpenen* nicht so hoch ist wie im Wald, ist es gesünder für die Menschen, als wenn sie allein im dichten Wald unterwegs sind und dort hinter jedem Baum die Gefahr lauern sehen.
Ein paar Benimmregeln gibt es jedoch auch auf den Wiesen zu beachten. Sie gehören jemandem, und derjenige möchte im Herbst ernten und die Wiesen 2 Mal im Jahr mähen. Deshalb sollte man auch hier auf den Wegen bleiben und insbesondere dann, wenn das Gras höher wächst, nicht die Wiese platt trampeln. Es versteht sich auch, dass man keine fremden Früchte erntet. Viele Städte bieten Bäume zum Pachten an, diese kann man dann gerne leerräumen.
Ich wünsche euch viel Freude auf den Streuobstwiesen. Genießt die Weite der Wiesen, den Sonneneinfall, die kräftige Blüte und vielleicht entdeckt ihr auch das ein oder andere Tier, das ihr bisher noch nicht gesehen habt. Und geht achtsam mit diesem Lebensraum um, der auch den Bienen viel Nahrung bietet.
Und hier noch einen Einblick in meine Streuobstwiese in Lorsbach, die ich wirklich sehr liebe. Hier kann ich mich ganz weit weg träumen.
*) Terpene sind die Stoffe, die die Bäume abgeben und die unser Immunsystem stärken. Ein Waldbad wird leider oft nur auf die Konzentration dieser Terpene reduziert – ist aber viel mehr, als nur das Einatmen dieser Stoffe. Mehr darüber erfährst du auch hier im Blog.
Kategorien:Allgemein, Gesundheit