Allgemein

Waldbaden – Gesundheitsvorsorge mit Leichtigkeit und Lebensfreude

(Mein Beitrag zum Newsletter 2.2020 für den Bundesverband für Gesundheitsberater e.V.)

Um gleich Missverständnissen vorzubeugen, die Badesachen braucht man nicht einzupacken, wenn es zum Waldbaden geht: wir nehmen kein Bad in einem See oder Flüsschen, sondern baden mit allen Sinnen in der heilenden Atmosphäre des Waldes.

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Wir sind dabei sehr, sehr langsam unterwegs, bleiben auch einmal stehen, setzen uns auf einen Baumstumpf, rasten, wo es uns gefällt und genießen die Natur um uns herum im Schneckentempo. Diese Langsamkeit, das Entschleunigen, das „Einen-Gang-Herunterschalten“ ist sozusagen die Grundstimmung beim Waldbaden. Wir lassen uns dabei von unserem Gefühl treiben, schließen hin und wieder die Augen oder erfreuen uns am Augen-Blick.  Ein Waldbad hat einen wohltuenden, heilenden Effekt auf Körper, Geist und Seele. Es hebt die Laune und sorgt für ein inneres Gleichgewicht.

Einfache Achtsamkeits-, Wahrnehmungs- und Atemübungen während des Waldbadens unterstützen zudem die heilsame Wirkung.

In Japan macht man Shinrin Yoku

Die Praxis des Waldbadens kommt aus Japan, dort nennt man es Shinrin Yoku. Dort hat man bereits in den 80-er Jahren damit begonnen, staatlich organisierte Waldveranstaltungen anzubieten, um die Menschen in den Wald zu bekommen. Sie sollten lernen, ihren Stress inmitten und mithilfe der Waldatmosphäre besser bewältigen zu können.

Ein bisschen sind jedoch auch wir Deutschen, die wir eigentlich in unserem tiefsten Inneren „verrückt“ sind nach unserem Wald, Schuld daran, dass die gestressten Japaner in den Wald geschickt wurden. In ihrem Buch „Eintauchen in den Wald“ schreibt Miki Sakamoto, dass der japanische Forstwissenschaftler, Professor Murao Koichi, während seines mehrjährigen Aufenthaltes in Deutschland in den 70er Jahren – er studierte hier die Forstwissenschaften – festgestellt hat, dass die Deutschen „einfach so“ zur Erholung für die Gesundheit die Wälder besuchten.

In Deutschland hielt der Begriff „Erholungswald“ Einzug ins Bundeswaldgesetz.

Der Wert des Waldes für die Erholung des Menschen wurde in Deutschland 1975 konkretisiert, als der Begriff „Erholungswald“ im Bundeswaldgesetz Einzug hielt.

Dort heißt es im § 13: „Wald kann zu Erholungswald erklärt werden, wenn es das Wohl der Allgemeinheit erfordert, Waldflächen für Zwecke der Erholung zu schützen, zu pflegen oder zu gestalten.“

Als dann Murao Koichi nach Japan zurückkehrte regte er bei beim obersten Chef für Wald- und Forstwirtschaft im japanischen Landwirtschaftsministerium Akiyama Tomohide die Nutzung der japanischen Wälder für Erholung und Rehabilitation an…“ Damit war der Grundstein für die Entwicklung des Shinrin Yokus gelegt. 1982 macht Tomohide den Begriff Shinrin Yoku in den Medien publik.

Baden meint auch „heilen“

Yoku bedeutet nicht nur baden, sondern auch „heilen“. Wir kennen das Sonnenbaden (gesund natürlich nur in Maßen) oder auch das Freiluftbaden. In Wiesbaden gibt es noch heute das Luft- und Sonnenbad „Unter den Eichen“. „Die grüne Oase mit besonderem Charme“ (auch liebevoll „Lufti“ genannt) lädt noch heute zum Baden in der Sonne und an der Luft ein – dafür muss man sogar  Eintritt bezahlen und sich an die „Badordnung“ halten. Bei der Eröffnung 1921 stand am Eingang ein Schild mit dem Motto:

„Dem Kranken zur Gesundung, dem Gesunden zur Erholung!“.

 

Dass Japan letztendlich nun doch als Wiege des Shinrin Yokus oder des Waldbadens angesehen wird, liegt wohl daran, dass die Japaner, nachdem ein großer Artikel in der japanischen Zeitung Asahi erschien und man Waldführungen von Seiten des Staates anbot, auch eifrig in den Wald gingen und waldbadeten.

Kneipp spielte auch eine Rolle

Das erweckte das Interesse der japanischen Wissenschaftler, allen voran Dr. Qing Li, Prof. Miyazaki Yoshifumi und Dr. Iwao Uehara. Letzterer war auch wieder in Deutschland – er beschäftigte sich  in Bad Wörishofen intensiv mit den Kneippkuren. Denn bereits 1983 hatte ein japanischer Internist namens Yoshinaga, das Shinrin Yoku Konzept mit Kneippkuren kombiniert.

Daraus resultierte schließlich, dass man in Japan begann die Wirkungen des Waldbadens wissenschaftlich zu erforschen. Dass es den – insbesondere gestressten – Menschen guttat, war klar, doch was genau ein Besuch im Wald bewirkte und warum, war bis dahin noch nicht systematisch untersucht worden. 2004 begannen die ersten wissenschaftlichen Forschungen.

Inzwischen hat man u.a. Folgendes festgestellt (Miyazaki Yoshifumi, „Shinrin Yoku – Heilsames Waldbaden“ ab Seite 146)

Gemessen wurde:

Verringerung der sympathischen Nervenaktivität

Zunahme der parasympathischen Nervenaktivität (Ruhenerv)

Senkung des Adrenalins

Senkung/Regulierung des Blutdrucks

Verringerung der Pulsfrequenz

Herzfrequenzvariabilität nimmt zu

Niedrigere Konzentration des Stresshormons Cortisol

Beruhigung der präfrontalen Hirnaktivität (deutet auf Entspannung hin)

Erhöhung der natürlichen Killerzellen im Blut, das heißt unser Immunsystem wird gestärkt und die Wirkung hält auch bis zu einem Monat an

Per Fragebogen erfasst wurde:

Gesteigerte Gefühl von Wohlbefinden, größere innere Ruhe, Gefühl des Erfrischtseins, Verbesserung des emotionalen Zustandes, verminderte Angstgefühle usw.

DHEA nimmt zu – wir tun etwas für die Schönheit (und nicht nur das)

Auch wenn wir nicht schnell unterwegs sind, und so nicht wirklich unsere Kondition stärken, so machen wir mit Waldbädern doch etwas sehr Bedeutsames für unser Herz-Kreislaufsystem: Forscher haben nämlich ebenso festgestellt, dass sich die Konzentration des Hormons DHEA (Dehydroepiandrosteron) im Wald erhöht. DHEA ist eine körpereigene Herzschutzsubstanz und hat wichtige Aufgaben – so wirkt es zahlreichen Herz-Kreislauferkrankungen entgegen sowie stress- und altersbedingten Vitalitätsstörungen des Körpers. Es hat einen aufbauenden Effekt auf nahezu alle Zelltypen.

DHEA wird auch als „Wunderhormon“ oder „Anti-Aging-Hormon“ bezeichnet, da es den altersbedingten Kollagenabbau verhindert. Es verbessert die Hautelastizität und reduziert Falten. DHEA ist sozusagen eine Anti-Aging-Substanz für die Haut.

So kann man inzwischen sagen, dass Waldaufenthalte positiv auf viele Körpersysteme wirken. In Japan und Südkorea ist das Waldbaden seit Jahren eine von den Gesundheitsbehörden anerkannte Stressbewältigungsmethode und wird sogar von Ärzten verschrieben. Ganz so weit sind wir hier in Deutschland allerdings noch nicht. Dabei wäre es so einfach, Menschen zur Vorbeugung von stressbedingten Krankheiten und zur Stärkung ihres Immunsystems Waldbäder zu verordnen…

Langsam hält es jedoch Einzug in verschiedene Rehakliniken in Deutschland.

Warum noch Waldbaden-Kurse, wenn doch der Wald schon allein heilt?

Ja, jede und jeder von uns kann viel bewirken, wenn er oder sie in den Wald geht. Aber tun wir es auch? Und wie sieht es mit den Waldbaden – Einladungen aus? Brauchen das die Menschen? Gehen wir mal dem angeleiteten Waldbad auf den Grund …

Allein in den Wald? – Das ist eine Frage, die viele Menschen schlicht und ergreifend mit „Nein“ beantworten. Und ein großer Teil, der dann doch in den Wald geht, kann gar nicht richtig entspannen, da hinter jedem Baum ein „Ungeheuer“ vermutet wird. Da ist natürlich die ganze schöne Auswirkung auf den Ruhenerv dahin, denn wenn man Angst hat, ist der Sympathikus aktiv. Wald hin oder her – man ist gestresst.

Für diese Menschen ist es wunderbar, dass sie nun mit KursleiterInnen im Wald gemeinsam baden können – dann funktioniert das auch mit dem Parasympathikus und mit der Entspannung.

„Zum Glück“ mit anderen gemeinsam

Und natürlich hat die soziale Komponente eine große Bedeutung. Der Austausch mit Gleichgesinnten ist ein nicht zu unterschätzender Faktor, wenn es um das Wohlbefinden und dabei entstehende Glücksgefühle geht. Und dabei meine ich nicht ein dauerhaftes intensives Gespräch über „Gott und die Welt“. Vielmehr sind es die kleinen Zusammenkünfte, bei denen man sich erzählt, was man solo erlebt hat oder bei denen man sich gegenseitig auf die Wunder der Natur aufmerksam macht. Und wer liebt es nicht – die gemeinsame Rast oder Teezeremonie.

Schließlich weiß man inzwischen auch, dass die positiven Effekte des Waldaufenthaltes durch Übungen und Einladungen aus der Waldbaden-Praxis verstärkt werden können.

So ist ein großes Thema die Entschleunigung – „Oh, sooo langsam ist Waldbaden“, hört man als Kursleiter hie und da anfangs. Und nach 2 Stunden funktioniert das wunderbar mit der Langsamkeit, denn langweilig ist es ja nicht – im Gegenteil: wir sind permanent am Staunen über all das, was wir entdecken können, wenn wir schlendern und innehalten.

So erlernt man beim Waldbaden – Kurs fast nebenbei (denn draußen geht alles leichter als in einengenden Räumen) Achtsamkeit mit sich, mit der Umwelt und allem Lebenden im Wald zu praktizieren. Man lernt, dass Meditieren auch in kleinen Schritten große Erfolge hat. Und profitiert von den vielen einfachen Atemübungen draußen. Atemübungen sind besonders wichtig, da wir die unser Immunsystem stärkenden Stoffe des Waldes, die Terpene, über den Atem aufnehmen. Man erfährt auch, wie die Übungen aus dem Wald im Alltag zu Hause, sei es im Garten, im Park oder auch im Büro umgesetzt werden können.

Wir schärfen beim Waldbaden all unsere Sinne durch bewusste Übungen. Über die Sinne kommt die Welt in unseren Kopf – und Sinne, die wir vernachlässigen, verkümmern irgendwann. Da ist der reizarme Übungsraum Wald der beste Ort zum Trainieren – und das auf leichte Art und Weise.  Und apropos „leichte Art und Weise“ – immer mehr nehme ich auch das Spielen in meine Waldbäder auf. Schon 550 v. Chr. sagte Anacharsis, der Skythe (im Kreise der 7 Weisen):

„Spiele, damit du ernst sein kannst! Denn das Spiel ist ein Ausruhen, und die Menschen bedürfen, da sie nicht ständig tätig sein können, der Erholung.“

Erholung, Entspannung, (Wieder-)zu-sich-finden – das alles können wir beim Waldbaden, und damit es meinen KursteilnehmerInnen ebenfalls gelingt, gebe ich nur Impulse und Anregungen. Ein Waldbad ist immer frei von Zwang und sollte von seiner Leichtigkeit leben.

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Zeit zum Entdecken und Staunen

Das ist vielleicht das Schwierigste für uns Kursleiter … wir möchten den TeilnehmerInnen unserer Kurse ja immer „ganz viel mitgeben“. Doch hier im Wald habe ich so viele Co-Trainer: die Bäume, die Kräuter, die Sträucher, das Holz, den Fluss …. und damit diese alle wirken können muss ich mich zurücknehmen.

Es ist viel schöner, bereichernder, entspannender, wenn jede/r selbst entdeckt und staunt 🙂

Kleine Einführung in dein persönliches Waldbad

Waldbaden macht glücklich

Schon erstaunlich wie glücklich Gesundheitsvorsorge machen kann!

Du wirst immer wieder Neues entdecken, oder auch Altes ganz neu, wenn du absichtslos, achtsam und mit offenen Sinnen ganz langsam durch den Wald schlenderst.

Und vielleicht entdeckst du dich sogar selbst ganz neu.

Das sind doch alles gute Gründe, um ein persönliches Waldbad gleich auszuprobieren. Deshalb hier ein paar Tipps, wie es gelingt:

Es geht los

Komm im Wald an, schließe, wenn du magst die Augen und genieße für fünf Minuten das Nichts-Tun-Müssen. Stelle dich auf zwei Stunden Baden im Wald ein. Dr. Qing Li sagt, dass man für zwei Stunden Waldbaden nicht mehr als zwei bis drei Kilometer zurücklegen soll – es ist also wirklich seeeehr langsam …

Schlendere nun gemütlich den Weg entlang, den du dir ausgesucht hast. Auf diesem Weg bleibe immer wieder stehen oder setze dich hin (Mutige können sich auch einmal legen).

Nimm alle Farben um dich herum wahr, wie viele Grün oder Braun gibt es zu sehen?

Nimm alle Formen wahr – welche entdeckst du hier in der Natur?

Schaue dir die Borke der Bäume an, welche Muster siehst du, vielleicht auch kleine Tiere. Nimm jedes Detail in Augenschein. Wie bewegen sich die Blätter im Wind, schaue nach oben durch die Krone – siehst du den Himmel? Oder ist die Krone zu dicht?

Und immer wieder achtsam schlendern. Schritt für Schritt.

Wie riecht der Wald, wie die Blätter, die Rinde, die Wurzeln…? Nimm etwas Erde oder Laub auch in die Hände und schnuppere daran. Kommen Erinnerungen? Schließe die Augen, verändert sich der Geruch und deine Wahrnehmung?

Lausche in den Wald, öffne deine Ohren, stelle sie auf Empfang. Was hörst du mit offenen Augen und was mit geschlossenen Augen. Hörst du auch die Stille zwischen den Geräuschen?

Begreife den Wald – berühre die Borke der Bäume, fühlen sie sich unterschiedlich an? Warm oder kalt, wie ist ihre Struktur? Fühle das Moos, streiche sanft über Gräser und Kräuter.

Fasse in das Wasser, wenn du an einem Fluss vorbeikommst oder an einem See. Ziehe die Schuhe aus und fühle den Waldboden unter deinen Fußsohlen oder das Wasser zwischen den Fußzehen. Auch hier schließe die Augen und spüre nach, wie sich Bekanntes mit geschlossenen Augen anfühlt.  Nur Menschen mit gestörtem Schmerzempfinden sollten aufs Barfußlaufen verzichten.

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Im Freien schmeckt es anders – nimm etwas von zu Hause mit und mache ein gemütliches Picknick unter Bäumen. Was du im Wald kennst, kannst du natürlich auch gleich direkt probieren: ein frisches Buchenblatt oder die frischgrünen Fichtenwipferl im Mai, Beeren im Herbst. Jedoch bitte nur versuchen, was du auch eindeutig sicher kennst!

Wenn du möchtest, kannst du kleine Bewegungseinheiten dazwischen einbauen – ein bisschen Qigong, Yoga oder einfach dehnen, strecken, recken. Oder wie wäre es, ein schönes Buch mitzunehmen und an einem gemütlichen Rastplatz im Wald ein bisschen zu lesen, vielleicht auch etwas zu schreiben.

Am Ende deines persönlichen Waldbades nimm dir wieder gut 5 Minuten Zeit zum Reflektieren und Zurückkommen.

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Ich wünsche dir viel Freude beim achtsamen Waldbaden (und die ganzen wissenschaftlichen Erkenntnisse lässt du einfach zu Hause 🙂 )

Annette

 

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